Die Schuldenkrise von Bund, Ländern und Kommunen setzt der Ausweitung öffentlicher Investitionen enge Grenzen. Wie kann unter diesen Vorzeichen der Übergang zu einer umweltverträglichen und sozialen Wirtschaft gelingen?
Man kann nicht von einer generellen Schuldenkrise sprechen. Die Schuldenkrise ist nicht auf allen staatlichen Ebenen ein Problem: Bayern und Sachsen sind etwa Bundesländer mit einer sehr geringen Verschuldung. Ebenso gibt es zahlreiche Kommunen ohne Verschuldung. Aktuell stellt eher die internationale Ebene die größte Herausforderung dar. Ob die Wirtschaft sich primär an Sozialzielen oder an Umweltzielen ausrichtet darf bezweifelt werden. Gewinnmaximierung lässt sich nicht anderen Zielen unterordnen. Gleichwohl kann man mit Umwelt und Soziales auch trefflich Gewinne erzielen. Hier muss die Politik ansetzen: über ökonomische Lenkungsinstrumente oder über regulatorische Vorschriften.
Was sind die Grundsätze für erfolgreiches Konsolidieren?
Insgesamt lassen sich aus dem nationalen und internationalen Vergleich wichtige politische Strategien identifizieren, mit denen Budgetkonsolidierungen umgesetzt werden können. Besonders erfolgreich erwiesen sich vor allem Ausgabenkürzungen, während Steuererhöhungen kaum nachhaltige Effekte erzielten. Die Durchsetzung von Ausgabenkürzungen ist für Regierungen eine schwierige Aufgabe. Denn meistens sind Einschnitte bei Sozialprogrammen oder Subventionen mit massivem Widerstand der betroffenen gesellschaftlichen Gruppen und eventuellem Verlust von Wählern verbunden. In den meisten Konsolidierungsfällen zeigte sich eine vorausschauende und vorsichtige Vorhersage der Wirtschaftsentwicklung. Dadurch konnten positive Entwicklungen für Konsolidierungsbeiträge genutzt und schlechten Konjunkturentwicklungen frühzeitig begegnet werden. In Deutschland zeigt sich jedoch eine konsequente Überschätzung der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung.
Wenn Sondereinnahmen (z.B. Versteigerungen von Lizenzen, Goldverkäufe, Privatisierungserlöse) ausschließlich in den Schuldenabbau gelenkt werden, wirkt dies außerdem über den sinkenden Schuldendienst positiv auf den Finanzierungssaldo zurück. Einige erfolgreiche Konsolidierungsfälle haben deutlich gemacht, dass durchaus moderate Steuererhöhungen, insbesondere für Besserverdienende durchgeführt werden können. Institutionelle Regeln sind ebenfalls ein Schlüssel zur Erklärung von erfolgreichen Konsolidierungen. Die Untersuchung der erfolgreichen Budgetkonsolidierungen hat gezeigt: Es sollte klare Regeln zum Umgang mit Haushaltsüberschüssen geben. Die erfolgreichen Konsolidierer haben solche „windfall profits“ fast ausschließlich in den Schuldenabbau investiert. Erfolgreiche Konsolidierer haben institutionell meistens zwischen zwei Strategien gewählt: Je nach institutioneller Ausgestaltung des politischen Systems entweder die „delegation“-Option oder die Option eines „commitments“, d.h. dem bewussten politischen Bekenntnis zur Konsolidierung. Die Stärkung der Budgetinstitutionen im Sinne dieser Logiken führt zu einer höheren Haushaltsdisziplin und fördert Budgetsanierungen. Der zentrale Schlüssel zum Erfolg sind jedoch hohe Wirtschaftswachstumsraten.
Welches wären die entscheidenden Bereiche für zukünftiges innovatives Investieren?
Investitionen sollten langfristig Wirtschaftswachstum generieren – nur so ist ein Schuldenabbau möglich. Komparative Vorteile Deutschlands liegen aktuell in der Umwelttechnologie, bei alternativen Energien aber auch der Chemie und Automobilbranche. Branchen mit hoher Wertschöpfung tragen zum Wohlstand Deutschlands bei und ermöglichen erst Umverteilungsziele und Umweltziele zu erreichen. Die Weiterentwicklung besonders wichtiger Bereiche mit hohen Beschäftigtenzahlen und hoher Wertschöpfung, jedoch mit einer eher schlechten Umweltbilanz, ist daher aktuell besonders wichtig.
.....
Prof. Dr. Uwe Wagschal ist Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Regierungslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
Die Fragen stellte Stephan Depping, Heinrich-Böll-Stiftung
..............................................................................................................................................................
Tagung und weitere Interviews zum Thema
Tagung - Samstag, 24. September 2011 (10:00 – 17:30 Uhr)
Tagung: Green Economy in Zeiten knapper Kassen
» Programm
Interviews
» Ökologischer Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft - wie soll das finanziert werden?
Kerstin Andreae, MdB und Sprecherin für Wirtschaft in der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen
» Schuldenabbau und Zukunftsinvestitionen - Welche Spielräume bleiben?
Prof. Dr. Uwe Wagschal ist Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Regierungslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
» Kommunale Wege zur Nachhaltigkeit: das Geschäftsmodell Kommune erneuern?
Hep Monatzeder (Bündnis 90/Die Grünen) ist Dritter Bürgermeister der Landeshauptstadt München.
» Eine ökologische Wachstumstrategie: Beispiele für erfolgreiches nachhaltiges Wirtschaften, Aufgaben für Wirtschaft und Politik
Matthias W. Send ist Vorsitzender der Geschäftsführung des NATURpur Instituts für Klima- und Umweltschutz gGmbH.